Frage 22:

Hat Jesus Dämonen oder gar den Teufel ausgetrieben?

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Das Thema „Exorzismus“ ist für viele Menschen heute ein absoluter „No-go-Bereich“ – Sperrzone!

Aber: Es geht hier nicht um „Teufelsaustreibung à la Anneliese Michel“ (1975), sondern um ein gesellschaftliches Problem, das zur Zeit Jesu besonders virulent gewesen sein muss (Theißen/Merz S.281). Bis heute gilt: Geister und Dämonen gehören in Gesellschaften außerhalb der europäisch geprägten Kultur zur Lebenswelt selbstverständlich dazu. Der Glaube an sie wird von einer starken Kraft genährt: Die Angst vor dem Kontrollverlust.

Starke Affekte und Abhängigkeiten galten zur Zeit Jesu als das Wirken von Dämonen. Dies war z.B. in Trunksucht, Hurerei oder Zorn der Fall wie es das „Testament der Zwölf Patriarchen“ beschreibt. In diesen Lastern verliert der Mensch die Kontrolle über sich. Auch psychische Störungen sind hier zu nennen.

Der Bibelexperte beschreibt das so: „Insbesondere in von fremden Mächten und Mentalitäten kolonisierten Völkern wie bei den Judäern des 1. Jh. entwickeln sich überdurchschnittlich häufig mentale, schizoide Störungen, die als dämonisch verursacht interpretiert werden können. Die Dämonen werden dabei als eine Art `Hausbesetzer´ des Menschen angesehen, die das `Ich´, die Identität des Menschen, aus seinem Körper vertrieben haben oder es zumindest unter Kontrolle haben“ (Martin Ebner S.127; Angelika Strotmann S.129)

Solche Störungen kann man über Dämonen oder „unreinen Geistern“ zur Zeit Jesu „erklärbar machen“ und ermöglicht damit den Betroffenen, die Hilfe von Exorzisten in Anspruch nehmen zu können. Jesus wurde als ein erfolgreicher Exorzist wahrgenommen.

Im Markusevangelium findet sich ein Beispiel für eine solche Praxis:

Sie kamen an das andere Ufer des Sees, in das Gebiet von Gerasa. Als er aus dem Boot stieg, lief ihm sogleich von den Gräbern her ein Mensch entgegen, der von einem unreinen Geist besessen war. Er hauste in den Grabstätten. Nicht einmal mit einer Kette konnte man ihn bändigen. Schon oft hatte man ihn mit Fußfesseln und Ketten gebunden, aber er hatte die Ketten zerrissen und die Fußfesseln durchgescheuert; niemand konnte ihn bezwingen. Bei Tag und Nacht schrie er unaufhörlich in den Grabstätten und auf den Bergen und schlug sich mit Steinen. (Mk 5,1-5)

Jesus spricht daraufhin mit dem „unreinen Geist“ und befiehlt ihm den Mann zu verlassen. Daraufhin schickt Jesus sie in eine Herde von 2000 Schweinen, die sich prompt alle in einen See stürzten und ertranken. Es geht in dieser Lesart somit um viele Dämonen, die auf durchaus humoristische Art und Weise endgültig vertrieben werden. Die Folgen für den Mann sind erstaunlich: Da sitzt wieder ein zivilisierter und friedvoller Mensch unter ihnen!

Darauf eilten die Leute herbei, um zu sehen, was geschehen war. Sie kamen zu Jesus und sahen bei ihm den Mann, der von der Legion Dämonen besessen gewesen war, bekleidet und bei Verstand. (Mk 5,14-15)

Für Jesus sind Exorzismen ein Teil des anbrechenden Gottesreichs. Der endzeitliche Kampf zwischen den Mächten Satans und des Himmels ist für ihn ja schon entschieden. Nur die dunklen Reste müssen noch vertrieben werden. Auch hier wird somit der anbrechende Heilsraum sichtbar. Die Vertreibung des Bösen aus den Herzen und Köpfen der Menschen ist notwendige Voraussetzung für das Kommen dieses Reiches. Wo die „Dämonen“ vertrieben werden, wächst das Königreich Gottes!

[Literatur u.a.: Martin Ebner, Jesus von Nazaret S.104ff.; Gerd Theißen / Annette Merz, Der historische Jesus S.279ff.; Angelika Strotmann, Der historische Jesus S.129ff.]