Frage 28:

Gibt es so etwas wie eine Leitlinie seiner Ethik? 

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Wenn man sich fragt, was Jesus besonders wichtig war, dann kommt man schnell zu drei großen Punkten: Nächstenliebe, Fremdenliebe und Feindesliebe.

Für viele klingt die Nächstenliebe noch logisch und einfach. Wir sollen anderen Gutes tun, die wir mögen oder die zu uns gehören. Aber die Fremdenliebe ist schon schwieriger. Hier geht es darum, Menschen zu helfen, die anders sind – die wir vielleicht nicht kennen. Und die Feindesliebe? Die klingt für viele wie eine Zumutung. Warum sollte ich jemandem Gutes tun, der mir schadet?

Um das zu verstehen, muss man schauen, was „Liebe“ damals bedeutete. Heute denken wir bei Liebe vor allem an Gefühle. Wir lieben unsere Familie, unsere Freunde oder vielleicht ein Hobby. Zur Zeit Jesu war das anders. Das griechische Wort „agape“ bedeutete vor allem: soziale Bindungen eingehen oder erhalten. Liebe war also nicht nur ein Gefühl, sondern eine Haltung im Umgang mit Menschen und dem menschlichen Miteinander. Der Gegenbegriff dazu war „hassen“. Das hieß nicht, jemanden zu verachten. Es bedeutete: eine soziale Bindung abbrechen oder zerstören.

Was bedeutet Nächstenliebe?

Schon im Alten Testament heißt es: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (Lev 19,18) Hier geht es vor allem um die eigenen Landsleute. Die Botschaft ist klar: Räche dich nicht und sei nicht nachtragend. Das ist schon eine echte Herausforderung! Denn wie schwer fällt es uns, jemandem zu verzeihen, der uns Unrecht getan hat?

Was meint Fremdenliebe?

Ein paar Sätze später geht es um die Fremden, also Menschen, die nicht aus dem eigenen Volk stammen. Es heißt: Der Fremde, der bei euch lebt, soll euch wie ein Einheimischer gelten. Du sollst ihn lieben wie dich selbst. (Lev 19,33f)

Warum? Weil die Israeliten selbst einmal Fremde in Ägypten waren. Fremde sind oft hilflos. Sie können nichts zurückgeben. Trotzdem sollen sie in die Gemeinschaft aufgenommen werden.

Damals gab es eine klare Regel: Geben und Nehmen. Wer mir etwas gibt, bekommt etwas zurück. Das hielt die Balance in der Gesellschaft. Aber was passiert, wenn jemand nichts zurückgeben kann? Oder wenn jemand mich hasst? Hier kommt Jesus ins Spiel. Er sagt: Steig aus diesem System aus! Mach den ersten Schritt. Tu Gutes, auch wenn du nichts zurückbekommst. Auch wenn jemand dir feindlich gesinnt ist. Jesus will damit das alte System durchbrechen. Es geht um etwas Größeres: ein Leben in Achtung und Liebe.

Und was hat es mit der Feindesliebe auf sich?

Für Jesus bedeutet Feindesliebe: Gib den Hass auf. Verzichte auf Rache. Tu denen Gutes, die dich verletzen. Das klingt radikal, oder? Er sagt: „Wer dich bittet, gib ihm, und fordere nicht zurück.“ (Lk 6,30) Oder: „Wenn jemand dich auf die rechte Wange schlägt, halte ihm die andere hin.“ (Mt 5,41)

Das wirkt vielleicht auf den ersten Blick verrückt. Aber Jesus wollte damit etwas bewirken: Er durchbricht die Gewaltspirale – im Denken und dann auch im Handeln. Stell dir vor, jemand schlägt dich – und du bleibst ruhig. Das überrascht! Es nimmt dem Angreifer die Macht. Du wirst nicht einfach zum Opfer, sondern behältst die Kontrolle.

Oft heißt es, Jesus hätte die Gebote neu erfunden. Aber das stimmt nicht. Alles, was Jesus lehrte, stand auch schon in der Tora, den jüdischen Weisungen. Er erweitert und verfeinert diese Gedanken aber. Das Doppelgebot der Liebe fasst für Jesus alles zusammen: Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. (Dtn 6,4f) 

Kein Gebot ist größer als diese beiden. Das sagt Jesus auch im Markusevangelium (Mk 12,28b-31). Wer das lebt, der führt ein gutes und erfülltes Leben – vor Gott und mit anderen Menschen.

Ein Beispiel für diese Liebe zeigt Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter: Ein Mann wird überfallen und liegt schwer verletzt am Weg. Ein Priester und ein Levit – also als religiös angesehene Menschen – gehen einfach vorbei. Aber ein Samariter, der als Fremder und Feind galt, bleibt stehen. Er versorgt die Wunden des Mannes, bringt ihn in eine Herberge und bezahlt für seine Pflege.

Jesus fragt: Wer war der Nächste für den Verletzten?Die Antwort: Der, der barmherzig war. Jesus sagt: Dann geh und handle du genauso!(Lk 10,30-37)

Das zeigt: Nächstenliebe bedeutet handeln. Es reicht nicht, Mitleid zu haben. Man muss etwas tun.