Frage 25:

Hatte Jesus eine Liebesbeziehung und lebte seine Sexualität?

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Wenn Jesus „wahrer Mensch“ war, was alle kirchlichen Lehren und auch die biblischen Texte klar zum Ausdruck bringen, dann muss er auch eine Sexualität gehabt haben. Dazu gehören sexuelle Gefühle, Gedanken und Erfahrungen. Ob und wie er das dann auch in seinem Leben auslebte, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Diverse Jesusschreiber haben ihm dann auch sexuelle Aktivitäten und starke Empfindungen dahingehend angedichtet: In Martin Scorseses Film „Die letzte Versuchung Christi“ (1988) ist es Maria von Magdala, von der es heißt, sie sei aus enttäuschter Liebe zu Jesus zur Prostituierten geworden. Der Nazarener sucht sie später auf und bitte um Verzeihung, widersteht aber letztlich jeder Versuchung. Schon im Roman „Der wahre Jesus oder das fünfte Evangelium“ aus dem Jahr 1927 ist von einem Besuch Jesu bei einer Prostituierten die Rede, der auch anschaulich beschrieben wird, Jesus aber letztlich als sexuellen Versager darstellt. Auch im Bestseller „Sakrileg“ von Dan Brown von 2003 wird Maria von Magdala als Jesu Ehefrau und die Mutter seiner Tochter Sarah beschrieben. Hier wird also auch ein sexuelles Verhältnis behauptet. Dies nur drei Beispiele von vielen Versuchen, die Sexualität Jesu konkret zum Ausdruck zu bringen.

Man wird sicher grundsätzlich sagen können, dass Jesus eine ungezwungene und natürliche Körperlichkeit lebte und wohl auch ausstrahlte. Er legt Kindern und Kranken die Hände auf, fasst sie an den Händen oder benutzt seinen Speichel als Heilmittel der sogenannten „Dreckapotheke“. Er liegt mit fragwürdigen Menschen zu Tisch und auch die auf den Booten nackt fischenden Männer (Joh 21,7) aus den Orten am See werden für ihn kein Anstoß gewesen sein.

Woher kommt dann dieses Bedürfnis, auch die sexuelle Seite Jesu auszuleuchten?

Das dürfte einerseits das durchaus nachvollziehbares Motiv sein, die Normalität Jesu auch in seiner Sexualität sehen zu können. Er ist einer wie wir. Da schwingt sicher die bis heute nicht selten hergestellte Verbindung von Sex und Sünde mit, die menschliche Sexualität wird weiterhin als versuchungsanfällig dargestellt. Moderne Erkenntnisse über eine erfüllende Sexualität scheinen da kaum vermittelbar.

Zum anderen gibt es einfach Jesuserzählungen, die eine Nähe zu Körperlichkeit oder Sexualität im jüdisch-religiösen Kontext nahelegen. Hier gehört Sexualität zur Erfüllung der Gebote und somit zu einem gelingenden Leben einfach dazu.

Aber dann gibt es auch die Geschichten zum Thema Verfehlungen sexueller Art, die es damals wie heute auch gab. Das Johannesevangelium hat die ergreifende Geschichte der „Sünderin“ bewahrt, die von Männern zu  Jesus gebracht wird, da sie beim Ehebruch ertappt worden war. Diese sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Mit diesen Worten wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! (Joh 8,4-11) Wenn Jesus sie am Ende von der Todesstrafe der Steinigung freispricht, dann zeigt das, dass es für ihn in jedem Fall auch Auswege aus solchen Verfehlungssituationen gab und die Möglichkeit der Veränderung des Verhaltens. Er scheint mit den Irrungen und Wirrungen der menschlichen Existenz gut umgehen zu können.

Eine weitaus interessantere Perspektive auf den Bereich der Sexualität dürfte aber eine Episode aus dem Lukasevangelium spielen, die eine überraschende Begegnung Jesu mit einer ortsbekannten Prostituierten beschreibt. Jesus ist dort in das Haus eines Mannes eingeladen, der als Pharisäer namens Simon vorgestellt wird. Eine nicht benannte Anzahl vor Männern hat sich dort getroffen und sie liegen gemeinsam zu Tisch, als etwas völlig Überraschendes geschieht: Und siehe, eine Frau, die in der Stadt lebte, eine Sünderin, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch war; da kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl und trat von hinten an ihn heran zu seinen Füßen. Dabei weinte sie und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen. Sie trocknete seine Füße mit den Haaren ihres Hauptes, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. (Lk 7,37f)

Der Gastgeber und die Männer sind empört und kritisieren die aus ihrer Sicht unmoralische Passivität Jesu, der dieses Tun, das offensichtlich aus dem Instrumentarium ihrer Liebestechniken als Prostituierte kommt, einfach an sich geschehen lässt. Sie hat wohl keine anderen Ausdrucksmöglichkeiten, Jesus gegenüber ihre Zuwendung und gleichzeitig ihre Verzweiflung zu vermitteln als auf diese Art. Jesus spürt die Empörung und die ablehnende Haltung der Männer um ihn herum und er reagiert darauf. Er konfrontiert die Empörten damit, dass diese ihn nicht geküsst auch nicht gesalbt hätten. Diese Zeichen der Ehrerbietung hätten sie ihm nicht entgegen gebracht.

Der Nazarener kann offensichtlich durch die äußeren Handlungen hindurchschauen auf die wahre Bedürftigkeit dieser Frau nach Liebe und echter Beziehung. Er sagt zu ihr am Ende: Deine Sünden sind dir vergeben. Da begannen die anderen Gäste bei sich selbst zu sagen: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt? Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! (Lk 7,48f)

Hier wird deutlich, dass Jesus durch das äußere Ambiente des Sexuellen auf den Kern menschlicher Beziehung kommen kann und will, ohne den Wert von Körperlichkeit und Sexualität in Frage zu stellen. Sexualität an sich ist für ihn nichts Verwerfliches oder Sündhaftes, aber sie ist eben auch nicht einfach selbstverständlich der Ort, an dem das menschliche Bedürfnis nach Beziehung und Erfüllung gestillt wird. Wir können somit feststellen: Jesus ist offensichtlich nicht körperfeindlich und hätte die Fähigkeit gehabt, auch seine Sexualität zu leben. Das zeigen die genannten Beispiele. Ob aber das seit 2000 Jahren verbreitete Gerücht, er habe eine Affaire mit Maria von Magdala gehabt, auch stimmt oder nicht, darf weiter ein gut gehütetes Geheimnis bleiben …