Frage 10:

Hat Jesus Sandalen getragen oder besondere Kleidung?

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„Jesuslatschen“ – wohl kein Gegenstand oder in diesem Fall Kleidungsstück wird in der deutschen Sprache so eng mit Jesus verknüpft wie die Sandale. Die Archäologin Ursula Rothe bestätigt, dass Jesus Schuhe trug, die man heute Sandalen nennen würde. Das Leder solcher Schuhe aus jener Zeit ist bis heute in Teilen gut erhalten geblieben. Römische Soldaten trugen vor allem Schuhe mit Nägeln, was bei jüdischen Menschen wohl selten war.

Die Füße der Menschen damals kamen mit diesem Schuhwerk in direkten Kontakt mit dem Staub und Dreck der Straßen und Wege Galiläas. Wenn Jesus in einer besonderen Symbolhandlung seinen Anhänger:innen die Füße wäscht, dann waren diese sicher nicht besonders sauber und wohlriechend: Jesus stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! (Joh 13,4-8) Jesus legt zunächst sein Obergewand, den himation, ab und zieht ein schützendes Leinentuch über sein Untergewand, den chiton. Er tut mit der Fußwaschung dann etwas, das sonst nur Sklavenarbeit war oder von Kindern verrichtet wurde. Da wundert die fassungslose, ja zunächst heftig ablehnende Reaktion des Petrus nicht. Eine solche buchstäbliche Drecksarbeit war aus seiner Sicht dem Status und der Person des Meisters unwürdig!

Auch an anderen Stellen des Neuen Testaments wird deutlich, dass Jesus die seit vielen Jahren für jeden Mann im oströmischen Reich übliche Kleidung trug. Das Untergewand, der chiton, bestand aus zwei längeren Stoffbahnen, die an den Längsseiten und der oberen Seite so zusammengenäht waren, dass Öffnungen für Arme und Hals frei blieben. Der chiton wurde innerhalb, das Obergewand oder der Mantel himation vor allem außerhalb des Hauses getragen.

Der himation ist ein großes, viereckiges Tuch, das um den Körper gelegt wurde. Der Mann legte einen der Zipfel über seine linke Schulter nach vorn und zog dann das Tuch über den Rücken zur rechten Seite und dort über die Schulter oder unter dem rechten Arm hindurch. So blieben der rechte Arm und die rechte Schulter frei. Den Rest des Tuchs legte er über den linken Arm. Frauen trugen diesen „Mantel“ eher als Tuch über dem Kopf oder gefaltet wie einen Schal.

In der Zeit Jesu gab es keine spezifisch jüdische Kleidung, vorherrschend war aufgrund des hellenistischen Einflusses seit Alexander dem Großen griechische Kleidung. Das Untergewand war mit Streifen verziert, die von den Schultern abwärts verliefen. Der Stoff wurde gegürtet und man trug darüber das Obergewand, das von den Männern bis zu den Knien ging, den Frauen bis zu den Knöchelen. An Funden wie denen in den Qumran-Höhlen am Toten Meer kann man nachweisen, dass neben der Naturfarbe weiß auch Obergewänder mit roten, blauen und gelben Farben getragen wurden. Farben waren offenbar beliebt!

Im Rahmen seiner Kreuzigung musste Jesus seine Kleider ausziehen. Nachdem die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen Teil, und dazu das Untergewand. Das Untergewand war aber ohne Naht von oben ganz durchgewoben. Da sagten sie zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies taten die Soldaten. (Joh 19,23-24) Das Ausziehen von Ober- und Untergewand stellte einen Akt der Demütigung und Entwürdigung im Rahmen des grausamen Kreuzigungsgeschehens dar. Nackt und den Elementen, den Tieren und dem Spott der Menschen ausgeliefert musste auch Jesus dieser Härte und Erniedrigung durchmachen. Umso überraschender erscheint daher der Hinweis im Johannestext, er habe ein Untergewand ohne Naht und aus einem Stück getragen. Das wäre ein kostbares Stück gewesen, weshalb die Soldaten es auch nicht zerschneiden wollen. Jesus wäre an dieser Stelle als wohlhabender Mann gekennzeichnet. Wahrscheinlich geht es im Evangelium daher nicht um eine historische, sondern eher um eine theologische Aussage, die in all dem herabsetzenden Geschehen die Bedeutung und letztlich Jesu Würde als einzigartiger Mensch und Sohn Gottes zum Ausdruck bringen soll.

Am Ende lässt sich in jedem Fall feststellen: Rein kleidungstechnisch ist Jesus unter seinen Leuten vermutlich gar nicht aufgefallen, da war er eher Durchschnitt.

[Scheffzyk u.a. Judäa und Jerusalem 2010 / evangelisch.de, Mode zur Zeit Christi vom 1.12.2022]