Jesus war Teil einer Großfamilie, die in Nazaret wohnte. Seine Eltern hießen Maria (aram.: Marjam) und Josef. Vier Brüder werden namentlich genannt: Jakobus, Judas, Joses und Simon (Mk 6,3) und auch von mehreren Schwestern ist die Rede. Jesus gehört zu einer frommen jüdischen Familie. Die Eltern gaben ihren Kindern die Namen des Erzvaters Jakob und seiner Söhne.
Joseph ist wahrscheinlich beim öffentlichen Auftreten Jesu schon verstorben gewesen.
Zwischen Jesus und seiner Familie muss es durchaus heftige Spannungen und Distanzierungen gegeben haben. Im Anschluss an ein hochbrisantes Streitgespräch mit Jerusalemer Schriftgelehrten stehen plötzlich seine Mutter und seine Brüder vor der Tür. Sie lassen ihn von dort aus zu sich rufen, was innen aber eher fragwürdig und besitzergreifend rüberkommt: „Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich.“ Anstatt nun diesem Ansinnen zu folgen, nutzt Jesus die Situation für eine klare Ansage: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?“ Dann schaut er reihum die Menschen um sich an. „Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ (Mk 3,31-35)
Die Familie, die sich um Gott herum bildet, ist für Jeus somit wichtiger als die eigene Herkunftsfamilie.
In einem weiteren Textteil ist die Rede, dass die Familie eigens aus Nazaret aufbricht, um ihn wieder zurückzuholen. Was an Informationen zu ihnen gedrungen ist, bleibt unklar. Klar ist allerdings. Sie glauben, er sei „von Sinnen“ – also irgendwie verrückt – und sie müssten ihn in den sicheren Hafen der Familie zurückbringen (Mk 3,21).
Bemerkenswert an diesen beiden Stellen ist der Abgrenzungsprozess Jesu von seiner Familie einschließlich seiner Mutter, der auch im Neuen Testament nicht verschwiegen wird. Gegenüber den ihn vereinnahmenden und konformierenden Korrekturversuchen seiner Familie erweist sich Jesus als eigenständig und souverän. Sein Weg führt ihn heraus aus der biologischen Familienstruktur in eine andere, für ihn übergeordnete Struktur einer Gottesfamilie. Dieser Familie soll die ganze Hingabe gelten, denn es geht darin um das Königreich, das Gott aufbauen will und in das hinein Gott die Menschen ruft – in jener Zeit vor allem durch Jesus! Vor diesem Hintergrund wirkt die Namensgebung „Jesus“ fast wie ein Omen. Denn „Jehoschua – Jesus“ heißt übersetzt: Gott rettet!
Übrigens: Nach Kreuzigung und Auferweckung wird deutlich. Zumindest die Brüder Jesu müssen sich letztlich mit dem Weg Jesu versöhnt haben. Jakobus wurde Leiter der Jerusalemer Urgemeinde, und der Apostel Paulus spricht von Brüdern des Herrn, die umherzogen, um die Botschaft Jesu zu verkünden.
[Literatur u.a. Angelika Strotmannn, Der historische Jesus S.56ff.]